Von Krähen, Enten und anderen Vögeln

Tierspuren beim Golf

Tierspuren beim Golf

Fall 1

Bei ihrer Nahrungssuche haben Krähen auf dem Fairway kleine Löcher und aufstehende Grasbüschel hinterlassen. Der Ball von Hendrik ist in einem solchen Loch zur Ruhe gekommen. Zudem wird der Schlag durch ein Grasbüschel behindert, das noch mit dem Erdreich verbunden ist. Hendrik ruft seinem Mitbewerber zu, er werde Erleichterung nach der „Tierspur-Regel“ nehmen und droppen. Jener antwortet, das sei ihm ja egal, er glaube aber nicht, dass es straflose Erleichterung gebe.

Hat Hendrik Anspruch auf straflose Erleichterung?

Antwort:

Eine „Tierspur-Regel“ im eigentlichen Sinne existiert nicht. Tierspuren werden nur erwähnt in der Definition für „ungewöhnlich beschaffenen Boden“. Hendrik hat also Regel 25-1 im Hinterkopf, die einschlägig ist, wenn ungewöhnliche Bodenverhältnisse das Spiel behindern. Nach Definition sind aber nicht grundsätzlich alle von Tieren hinterlassene Spuren als ungewöhnlich beschaffener Boden anzusehen. Wörtlich heißt es in der Definition: „… Loch, Aufgeworfenes oder Laufweg eines Erdgänge grabenden Tiers, eines Reptils oder eines Vogels“.

In unserem Fall stammen Loch und Aufgeworfenes von Krähen. Die graben nun mal keine Erdgänge, um darin Unterkunft oder Schutz zu finden (siehe Definition „Erdgänge grabendes Tier“). Und, auch das steht in dieser Definition, Löcher, die von anderen Tieren geschaffen wurden, gelten nicht per se als ungewöhnlich beschaffener Boden, könnten von der Spielleitung unter Umständen aber dazu erklärt werden. Also bietet dieser Umstand keine straflose Erleichterung. Bleibt das Grasbüschel. Dieses ist noch mit dem Erdreich verbunden, ist also nicht als loser Naturstoff anzusehen und darf deshalb nicht entfernt werden. Hendrik hat also Pech, er muss den Ball spielen, wie er liegt.

Aber es stellt sich noch die Frage, wie die Antwort des Mitbewerbers, ihm sei egal, was Hendrik mache, einzuordnen ist. Mal abgesehen davon, dass sich beide in die Gefahr einer Disqualifikation begeben, weil sie sich möglicherweise über die Nichtanwendung der Regel verständigen (Regel 1-3), vergisst der Mitbewerber, dass es beim Zählspiel nicht auf seine Großzügigkeit bei der Regelanwendung ankommt. Im Interesse aller anderen Teilnehmer des Wettspiels kann er nicht ein Auge zudrücken. Jeder Teilnehmer eines Wettspiels muss davon ausgehen können, dass in allen Spielergruppen nach denselben Golfregeln gespielt wird.

Fall 2

Nicht nur „vergessliche“ Spieler, auch die auf dem Platz reichlich vorhandenen Enten hinterlassen regelmäßig in den Bunkern ihre „Fußspuren“ – und ihren Kot. Am letzten Loch landet der Ball von Hendrik in einem von einer Ente hinterlassenen Fußabdruck. Es erscheint ihm schwieriger zu sein, den Ball aus der „Tierspur“ zu spielen, als von anderer Stelle nach einem Drop im Bunker. Er ist sich diesmal sicher, straflose Erleichterung zu bekommen, fragt aber vorsichtshalber seinen Mitbewerber nach dessen Meinung.

Darf Hendrik straflos droppen?

Antwort:

In Fall 1 ist bereits erwähnt, in welchen Fällen Tierspuren unter die Definition ungewöhnlich beschaffener Boden fallen. Da heißt es „Laufwege … eines Vogels“. Natürlich ist die Ente durch den Bunker gelaufen. Die von der Ente hinterlassenen Fußspuren sind aber dennoch nicht als „Laufweg“ im Sinne der Golfregel einzuordnen. Unter Laufweg (engl. runway) sind nämlich nur die Bodenvertiefungen zu verstehen, die dadurch entstehen, dass ein Tier immer denselben Weg nimmt, um etwa zu seinem Unterschlupf oder Nest zu gelangen. Einzelne, zufällig von einem Vogel hinterlassene Fußabdrücke sind nicht als Laufweg im Sinne der Regel anzusehen. Hendrik darf deshalb nicht straflose Erleichterung nehmen.

Zusatzfrage: Dürfte er Vogelkot aus dem Bunker entfernen, wenn dieser so vor dem Ball läge, dass ein Schlag behindert würde?

Nein, dürfte er nicht. Kot ist loser Naturstoff, der, liegen sowohl er als auch der Ball in demselben Hindernis, vor dem Schlag nicht entfernt werden darf (siehe Definition „Loser Naturstoff“ und Regel 23).

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